Linke gegen Nato-Beitritt Schwedens und Finnland, Slowjansk unter russischen Beschuss, Russland wirft Ukraine Folter vor. Der Überblick am Abend.
Der 71-jährige Wladimir Wassiljewitsch steht im Hof des zerstörten Hauses seiner Verwandten in Slowjansk.Foto: Michal Burza/ZUMA Press Wire/dpa
Seit Tagen – wir haben es an dieser Stelle schon berichtet – häufen sich die Angriffe auf russische Kommandoposten und Munitionslager weit hinter den Frontlinien. Möglich machen das die von den USA gelieferten Mehrfachraketenwerfer Himars (im Bild unten) mit rund 80 Kilometern Reichweite.
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Vier der Himars sind aktuell im Einsatz. Drei davon an der Front im Osten, ein System operiert im Süden nahe Saporischschja. In einem Artikel im „Wall Street Journal“ gibt es jetzt ein paar mehr Details, was sie den Ukrainern ermöglichen. Laut dem Bericht hat die Ukraine in den vergangenen zwei Wochen mindestens zehn hochkarätige Ziele angegriffen, die vorher zu weit weg waren.
Die ukrainischen Soldaten haben ihre Reichweite mit dem neuen System verdoppelt, dadurch sinkt auch die Gefahr für die Soldaten, weil sie selbst außerhalb des Radius der meisten russischen Systeme bleiben. 155.000 Dollar kostet eine der sechs Raketen, die die Himars innerhalb von Sekunden abschießen können.
Schon bald sollen weitere vier Himars-Systeme aus den USA in die Ukraine geliefert werden. Auch europäische Länder wollen demnächst Raketenwerfer liefern. Ihr großer Vorteil: Sie laden und feuern innerhalb von Minuten und können sich so sehr schnell weiterbewegen. So sind sie für den Gegner schwer zu treffen. Außerdem operieren sie nachts, um für russische Drohnen schlechter ortbar zu sein.
Experten gehen allerdings davon aus, dass die russischen Truppen sich schnell an die neue Situation anpassen werden. Munitionslager zum Beispiel könnten über viele Orte verteilt werden. Ob und wann ihnen das tatsächlich gelingt, werden die nächsten Wochen zeigen.
DIE WICHTIGSTEN NACHRICHTEN DES TAGES IM ÜBERBLICK
- Melnyk weist Vorwurf der Holocaust-Verharmlosung zurück: In einem Video offenbart der ukrainische Botschafter seine Bewunderung für den Nationalisten Bandera. TikTok sperrt erst einen Teil – nun ist er wieder frei. Mehr hier.
- Fehlende Munition, Unterernährung, Schlafentzug und viele Tote: Ukrainische Soldaten berichten von ihren Erfahrungen bei der Schlacht um die Region Luhansk. Mehr hier.
- Die ukrainischen Truppen müssen nach Einschätzung der pro-russischen Separatisten in Luhansk bis in die Region Kiew zurückgedrängt werden.Dann würden ihre Raketen nicht mehr die Menschen im Donbass bedrohen, zitiert die russische Nachrichtenagentur RIA einen Vertreter der Miliz der selbst ernannten Volksrepublik Luhansk. Mehr in unserem Newsblog.
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj geht nicht von einem Eingreifen des Nachbarlandes Belarus in den Krieg mit Russland aus. „Wir glauben, dass Belarus sich nicht in diesen Krieg hineinziehen lassen wird. Aber es gibt Provokationen, und sie werden weitergehen“, sagte Selenskyj in einer Video-Ansprache auf einer Veranstaltung der Gruppe The Economist in Athen am Dienstag.
- Die Linke im Bundestag will der Aufnahme von Schweden und Finnland in die Nato nicht zustimmen.Dies kündigte Fraktionschefin Amira Mohamed Ali am Dienstag an. Der Wunsch vor allem Finnlands nach Aufnahme in das westliche Verteidigungsbündnis sei zwar verständlich angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Doch sei der „dreckige Deal“ der beiden Länder mit der Türkei inakzeptabel.
- Das ukrainische Verteidigungsministerium hat Männern im wehrpflichtigen Alter das Verlassen ihres Wohnorts untersagt. Für das Verlassen des gemeldeten Wohnorts benötigen Männer zwischen 18 und 60 nun eine Erlaubnis des zugehörigen Kreiswehrersatzamts. Kontrollen finden derzeit vor allem an den Grenzen zwischen den Regierungsbezirken und an Kontrollpunkten an Stadtgrenzen statt.
- Die ostukrainische Stadt Slowjansk ist am Dienstag nach Angaben ihres Bürgermeisters von der russische Armee massiv unter Beschuss genommen worden. „Slowjansk! Massives Bombardement der Stadt. Im Zentrum, im Norden. Alle in die Luftschutzkeller“, schrieb der Bürgermeister Wadym Liach auf Facebook. Die Stadt, die vor Beginn des Ukraine-Krieges 100.000 Einwohner zählte, ist offenbar das nächste Ziel der russischen Streitkräfte bei ihrem Vormarsch in der Region Donezk.
- Nach einem Gefangenenaustausch mit der Ukraine hat Russland der Gegenseite Folter von Kriegsgefangenen vorgeworfen. Es seien deshalb Ermittlungen eingeleitet worden, teilte das staatliche Ermittlungskomitee am Dienstag in Moskau mit. Moskau und Kiew hatten in der vergangenen Woche je 144 Kriegsgefangene ausgetauscht.
Die beiden russischen Grenzregionen Brjansk und Kursk haben der ukrainischen Seite erneut Beschuss vorgeworfen. Der Brjansker Gouverneur Alexander Bogomas schrieb am Dienstag auf Telegram, das Dorf Sernowo sei mit Artillerie beschossen worden, verletzt worden sei aber niemand. Auch aus den betroffenen Kursker Dörfern gab es zunächst keine Informationen über mögliche Opfer.
HINTERGRUND UND ANALYSE
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