Offenbar wahllos schoss der 22-Jährige in die feiernde Menge. Mindestens sechs Menschen sterben, rund zwei Dutzend sind verletzt. Das Motiv ist noch unklar.
Ein bestürzter US-Polizist während des Einsatzes in der Innenstadt von Highland Park.Foto: Brian Cassella/Chicago Tribune/AP/dpa
Nach der blutigen Gewalttat mit mindestens sechs Toten bei einer Parade zum Nationalfeiertag der USA nahe Chicago hat die Polizei den mutmaßlichen Schützen festgenommen. US-Sender berichteten am Montagabend (Ortszeit) unter Berufung auf die örtliche Polizei, der 22-Jährige sei gefasst worden.
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Zuvor hatte die US-Bundespolizei FBI mitgeteilt, sie fahnde nach dem Beschuldigten wegen „mehrerer Tötungsdelikte“ bei der Parade zum Unabhängigkeitstag der USA in Highland Park – einem Vorort Chicagos im Bundesstaat Illinois.
Der Mann wird verdächtigt, am Montagvormittag während der Parade das Feuer eröffnet und mindestens sechs Menschen getötet zu haben. Rund zwei Dutzend Verletzte wurden nach Polizeiangaben in Krankenhäuser gebracht.
Ein Sprecher des Sheriff-Büros von Lake County sagte, der Täter habe vermutlich vom Dach eines Geschäftsgebäudes aus wahllos auf die Menge geschossen. Am Tatort sei ein „leistungsstarkes Gewehr“ gefunden worden. Die Hintergründe der Tat waren zunächst nicht bekannt.
Die Polizei im Einsatz, nachdem Schüsse bei einer Parade in Highland Park fielen.Foto: via REUTERS
Ein Arzt in einem Krankenhaus in Highland Park sagte, dort seien Patienten im Alter von 8 bis 85 Jahren mit Schusswunden behandelt worden, darunter mehrere Kinder. Erst Stunden nach den tödlichen Schüssen gelang es den Ermittlern, einen Verdächtigen zu identifizieren. Die Polizei warnte, der Mann gelte als bewaffnet und gefährlich, die Bevölkerung solle wachsam sein.
Augenzeuge berichtet von „methodischer, militärischer“ Vorgehensweise
Die Parade hatte am Montagvormittag (Ortszeit/17.00 Uhr MESZ) begonnen. Kurze Zeit später fielen die ersten Schüsse. „Heute Morgen um 10.14 Uhr wurde unsere Gemeinde durch einen Gewaltakt terrorisiert, der uns zutiefst erschüttert hat“, sagte Bürgermeisterin Nancy Rotering. Der leitende Polizist am Tatort, Chris O’Neill, sagte, Polizisten und Rettungskräfte seien bei der Parade anwesend gewesen und hätten sofort reagiert.
Die Polizei durchsucht die Innenstadt des Chicagoer Vororts Highland Park.Foto: dpa/Tyler Pasciak Lariviere/Chicago Sun-Times/AP
Ein Augenzeuge sagte dem Sender WGN, er habe einen einzelnen bewaffneten Schützen gesehen, „der sich duckte und auf methodische Weise vorrückte, quasi militärisch“. In Highland Park und umliegenden Gemeinden wurden die Feiern zum 4. Juli unterbrochen.
Bürgermeisterin Rotering forderte die Menschen auf, die Innenstadt zu meiden. Die Verwaltung der Kleinstadt mit rund 30.000 Einwohnern teilte mit: „Zahlreiche Polizeibeamte sind im Einsatz und haben die Innenstadt von Highland Park abgeriegelt.“
Brad Schneider, der für den Bundesstaat Illinois im Repräsentantenhaus sitzt, hielt sich in der Stadt auf, als die Schüsse fielen. „Mein Team und ich hatten uns gerade zum Beginn der Parade getroffen, als die Schüsse fielen“, erklärte Schneider auf Twitter, nachdem er sich in Sicherheit gebracht hatte.
Die USA haben seit langem mit einem riesigen Ausmaß an Waffengewalt zu kämpfen. Erst Ende Mai hatte ein 18 Jahre alter Schütze an einer Grundschule in Texas ein Massaker angerichtet. Er hatte Ende Mai in der Kleinstadt Uvalde 19 Kinder und 2 Lehrerinnen getötet, bevor er von der Polizei erschossen wurde.
Gut eine Woche zuvor hatte ein 18-Jähriger im texanischen Buffalo zehn Menschen erschossen, die Ermittler gehen von einem rassistischen Motiv aus.
Die Verbrechen hatten die Diskussion über schärfere Waffengesetze in den USA neu entfacht. Schusswaffen sind in den Vereinigten Staaten relativ leicht erhältlich. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde CDC wurden 2020 landesweit fast 20 000 Menschen erschossen – mehr als 50 pro Tag.
Biden will den Kampf gegen Waffengewalt nicht aufgeben
US-Präsident Joe Biden zeigte sich „schockiert über die sinnlose Waffengewalt, die an diesem Unabhängigkeitstag wieder einmal Trauer über eine amerikanische Gemeinde gebracht hat“. In seiner Mitteilung hieß es: „Ich werde den Kampf gegen die Epidemie der Waffengewalt nicht aufgeben.“
Biden und seine Demokraten fordern seit langem schärfere Waffengesetze. Weitreichende Reformen scheitern immer wieder am Widerstand der Republikaner im Kongress und am Einfluss der mächtigen Waffenlobby-Organisation NRA.
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Im vergangenen Monat beschloss der Kongress unter dem Eindruck der Amokläufe von Texas und anderer Bluttaten parteiübergreifend ein Gesetz gegen Schusswaffengewalt, das aber weit hinter Bidens Reformvorschlägen zurückblieb. Experten werteten die Verschärfung des Waffenrechts zwar als die wichtigste seit Mitte der 1990er. Das Gesetz ist inhaltlich allerdings nur ein überparteilicher Minimalkompromiss, den Kritiker als völlig unzureichend rügen.
Inmitten der Debatte über Schusswaffengewalt hatte das Oberste Gericht der USA das Recht auf das Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit im vergangenen Monat ausgeweitet. Der Supreme Court in Washington kippte ein mehr als hundert Jahre altes Gesetz des Bundesstaats New York, wonach man einen triftigen Grund nachweisen muss, um eine Lizenz für das verdeckte Tragen einer Handfeuerwaffe außerhalb des Hauses zu erhalten. (dpa)